Rückblick auf Fortschritte und Weiterführung des Einsatzes für Lohngleichheit
134 Jahre bis zur Lohnparität
Am 18. September 2024 begehen wir den vierten Jahrestag des International Equal Pay Day. Trotz jahrzehntelanger weltweiter Bemühungen verdienen Frauen auf der ganzen Welt immer noch durchschnittlich 20 % weniger als ihre männlichen Kollegen1, was nach wie einer konsequenten Gleichstellung der Geschlechter im Wege steht. Dieser Tag dient als wichtige Erinnerung daran, dass das geschlechtsspezifische Lohngefälle nach wie vor ein Hindernis darstellt und wir unsere Bemühungen zur Stärkung von Frauen in der Arbeitswelt intensivieren müssen.
Laut dem Global Gender Gap Report 2024 des Weltwirtschaftsforums WEF wird es ohne einen mutigen Vorstoss 134 Jahre dauern2, bis die vollständige Gleichstellung erreicht ist. Dies ist zwar eine deutliche Verbesserung gegenüber den im Jahr 2020 prognostizierten 257 Jahren3, aber die Kluft bleibt erschreckend gross. Wie wir in einem früheren Artikel zu diesem Thema hervorgehoben haben, bleibt die vor uns liegende Herausforderung immens.
Obwohl sich die globale Geschlechterkluft verringert, hat sich der kollektive Fortschritt verlangsamt und die Ungleichheiten in bestimmten Kategorien — etwa bei Frauen mit Migrationshintergrund, Frauen mit Behinderungen und Frauen ethnischer Minderheiten — nehmen weiter zu. Diese wachsende Ungleichheit verdeutlicht die Notwendigkeit eines intersektionalen Ansatzes zur Bekämpfung von Lohnunterschieden.
Hartnäckige gläserne Decke
Abgesehen vom Lohngefälle sehen sich Frauen systemischen Hindernissen gegenüber, die ihnen den Weg in Führungspositionen versperren und oft als „gläserne Decke“ bezeichnet werden. Diese bleibt in vielen Branchen und Regionen hartnäckig intakt.
Spitzenpositionen sind für Frauen weltweit nach wie vor nahezu unerreichbar. Gemäss Recherchen von LinkedIn lässt sich ein Zusammenhang zwischen sich verschlechternden makroökonomischen Bedingungen und einem Rückgang bei der Einstellung von Frauen in Führungspositionen feststellen4. Gleichzeitig stärkt eine höhere Repräsentation von Frauen in der Belegschaft die Resilienz gegenüber Personalabbau in wirtschaftlichen Abschwüngen5.
Einst als vielversprechender Trend gesehen, ist die Einstellung von Frauen in Führungspositionen rückläufig, von 37,5 % im Jahr 2023 auf 36,4 % Anfang 2024 — und liegt somit unter dem Niveau von 2021.
Globale Studien belegen jedoch weiterhin eine positive Korrelation zwischen der Präsenz von Frauen in Führungspositionen und der verbesserten Unternehmensleistung.So zeigen in der Harvard Business Review veröffentlichteStudien, dass die Erhöhung des Frauenanteils in der Unternehmensführung von null auf 30 % mit einem Anstieg der Nettomarge um einen Prozentpunkt korreliert, was einer Steigerung der Rentabilität um 15 % entspricht6.
McKinsey zeigt in seinem aktuellen Diversitätsbericht7 auf, dass Unternehmen mit diversifizierten Führungsteams eine um 27 % höhere Wahrscheinlichkeit haben, finanziell überdurchschnittlich erfolgreich zu sein.
Untersuchungen von S&P Global haben gezeigt, dass Unternehmen unter der Leitung von weiblichen CEOs innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Ernennung einen Anstieg der Aktienkursentwicklung um 20 % erlebten8. Unternehmen mit geschlechterdiversifizierten Vorständen übertreffen regelmässig diejenigen ohne solche Diversität.
Der Weg zur Lohngleichheit: Wie geht es weiter?
Das geschlechtsspezifische Lohngefälle ist ein komplexes Problem, das einen vielschichtigen Ansatz erfordert, der Gesetzgebung, unternehmerische Verantwortung und individuelle Stärkung miteinander verbindet.
Ein entscheidender Akteur im weltweiten Kampf für gleiche Bezahlung ist die Equal Pay International Coalition (EPIC), die sich zum Ziel gesetzt hat, das geschlechtsspezifische Lohngefälle bis 2030 zu beseitigen. EPIC wird von der Internationalen Arbeitsorganisation, UN Women und der OECD geleitet und bringt Regierungen, Arbeitgeber, Arbeitnehmerorganisationen und die Zivilgesellschaft zusammen, um den Fortschritt bei der Lohngleichheit für gleichwertige Arbeit zu beschleunigen. Durch ihre gemeinsamen Bemühungen arbeitet EPIC an der Entwicklung und Umsetzung konkreter Strategien, die die Ursachen des Lohngefälles angehen und sicherstellen, dass künftige Generationen von Frauen und Männern wirklich gleiche Chancen am Arbeitsplatz geniessen.
In Zukunft ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir uns weiterhin für strengere Richtlinien einsetzen, Unternehmen dazu ermutigen, faire Lohnpraktiken einzuführen, und Frauen mit den Instrumenten ausstatten, die sie benötigen, um für sich selbst einzutreten. Während Regierungen strenge Gesetze zur Lohngleichheit umsetzen, sollten Unternehmen Transparenz- und Zertifizierungspraktiken einführen. Insbesondere Investoren können einen positiven Einfluss ausüben, indem sie Unternehmen auswählen, die der Gleichstellung der Geschlechter Priorität einräumen, und so sicherstellen, dass ihr Kapital eine nachhaltige und gerechte Zukunft unterstützt.
Die Lösungen am Horizont
Als Reaktion auf die anhaltenden Herausforderungen sind in den letzten Jahren mehrere neue L ösungen und Strategien entstanden. Diese Ansätze zielen darauf ab, die Ursachen des Lohngefälles zu bekämpfen und mehr Gerechtigkeit am Arbeitsplatz zu fördern.
Die Gesetzgebung ist nach wie vor ein entscheidendes Instrument im Kampf für gleiche Bezahlung. Die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR) beispielsweise konzentriert sich zwar in erster Linie auf die Förderung der Nachhaltigkeit im Finanzwesen, spielt aber auch indirekt eine Rolle bei der Förderung der Gleichstellung der Geschlechter. Indem sie Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Nachhaltigkeitspraktiken, einschließlich geschlechtsspezifischer Fragen, offenzulegen, drängt die SFDR auf mehr Rechenschaftspflicht und Transparenz.
Eine der vielversprechendsten Entwicklungen der letzten Jahre ist die wachsende Bedeutung der Lohntransparenz. Durch die Verpflichtung von Unternehmen, Gehaltsspannen und Lohnunterschiede öffentlich zu machen, zielen Transparenzmassnahmen darauf ab, die Geheimhaltung um die Vergütung zu verringern, die oft geschlechtsspezifische Ungleichheiten zementiert. Ein bemerkenswertes Beispiel ist Island, das 2018 Gesetze zur Gehaltstransparenz eingeführt hat. Unternehmen sind nun verpflichtet, die gleiche Bezahlung ihrer Mitarbeiter nachzuweisen — ein Schritt, der dazu beigetragen hat, dass Island als eines der Länder mit der grössten Geschlechtergleichstellung weltweit gilt.
Kostenlose Online-Gehaltsrechner und andere digitale Tools haben Einzelpersonen befähigt, ihre Vergütung im Vergleich zu Branchenstandards zu bewerten. Tools von Organisationen wie Glassdoor und Payscale liefern wertvolle Einblicke in die Lohngerechtigkeit und ermöglichen esFrauen, ihren Marktwert besser zu verstehen, ihre Gehälter besser zu verhandeln und Fälle von Lohndiskriminierung identifizieren zu können.
Lohngleichheits-Zertifizierungenwerden immer häufiger. Länder wie die Schweiz und Organisationen in ganz Europa haben Zertifizierungsprozesse eingeführt, die bewerten, ob Unternehmen den Prinzipien der Lohngleichheit folgen. Zertifizierte Unternehmen verbessern nicht nur ihren Ruf, sondern dienen auch als Massstab für andere in der Branche.
Mindestlohnregelungen, die Gleichlohnklauseln beinhalten, sind entscheidend, um eine faire Vergütung für alle Arbeitnehmenden sicherzustellen. Die trifft besonders auf Niedriglohnempfänger zu, bei denen es sich überproportional häufig um Frauen handelt. Die Verankerung der Lohngleichheit in den Mindestlohngesetzen trägt dazu bei, Lohnunterschiede auf grundlegender Ebene zu beseitigen.
Der internationale Equal Pay Day ist mehr als nur ein symbolisches Datum; er ist ein Aufruf zum Handeln. Wenn wir auf die letzten vier Jahre zurückblicken, sollten wir die erzielten Fortschritte feiern und unser Engagement für die Verwirklichung von gleichem Entgelt für alle erneuern. Die Lösungen sind in Reichweite, aber es bedarf gemeinsamer Anstrengungen von Regierungen, Unternehmen und Einzelpersonen, um die Lohnungleichheit zu beseitigen. Gemeinsam können wir eine Zukunft schaffen, in der gleiches Entgelt nicht nur eineVision, sondern eine Realität für alle ist.
Quellen: 1 ILO Global Wage Report 2018/19 - Link 2 World Economic Forum's Global Gender Gap Report 2024 - Link 3 World Economic Forum’s Global Gender Gap Report 2020 - Link 4 Gender Gap: This is the state of work for women in 2024 - Link 5 Key Findings - World Economic Forum's Global Gender Gap Report 2024 - Link 6 Study: Firms with More Women in the C-Suite Are More Profitable - Link 7 Diversity matters even more | McKinsey - Link 8 When Women Lead, Firms Win | S&P Global - Link