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Impact blog: Resilienz aufbauen: Mit Mikrofinanz die Klimakrise bekämpfen
Wir müssen einer unbequemen Wahrheit ins Gesicht sehen. Obwohl wir weiter alles dafür tun müssen, den Klimawandel einzudämmen, mehren sich die Hinweise darauf, dass bestimmte Veränderungen des Klimas nicht mehr zu verhindern sind. Fast alle Länder werden die negativen Folgen des Klimawandels zu spüren bekommen. Im Hinblick auf die Anpassungsfähigkeit gibt es aber grosse Unterschiede. Häufigere Felsstürze in der Schweiz oder stärkere Überschwemmungen in Miami haben bereits Auswirkungen auf bestimmte Gemeinschaften, betreffen aber Länder, die mit diesen Herausforderungen vergleichsweise gut umgehen können.
Am stärksten vom Klimawandel betroffen sein werden aber diejenigen, die am wenigsten Verantwortung für die Veränderung unseres Klimas tragen: einkommensschwache Haushalte in Entwicklungs- und Schwellenländern, vor allem in ländlichen Regionen. Tatsächlich könnte der Klimawandel hier die Erfolge jahrelanger Entwicklungsarbeit zunichte machen: 100 Millionen Menschen könnten wieder in die extreme Armut abrutschen und zig Millionen Menschen aus ihrer Heimat flüchten. Ein Beispiel sind die Migranten aus ländlichen, stark vom Klimawandel in Mitleidenschaft gezogenen Regionen in Guatemala, die bereits einen Grossteil derjenigen ausmachen, die derzeit versuchen, in die USA zu gelangen.
Aufgrund fehlender Ressourcen haben die Armen dieser Welt weniger Möglichkeiten, Naturkatastrophen und andere gravierende Vorkommnisse zu verhindern oder ihre Folgen zu mindern. Treten diese ein – zum Beispiel in Form von Überschwemmungen, Missernten oder dem Ausbruch gewalttätiger Konflikte – verlieren einkommensschwache Haushalte häufig ihre Haupteinnahmequelle. Dann stehen sie vor schwierigen Entscheidungen: Entweder sie verkaufen einen ertragreichen Vermögenswert oder sie sind nicht mehr in der Lage, für Grundbedürfnisse wie Nahrung, Strom oder Bildung aufzukommen.
Ein wichtiger Ansatzpunkt wird die Stärkung der lokalen Regierungen sein, vor allem durch eine bessere Governance und Anpassungsfähigkeit. Das aber sind langfristige Projekte und die Klimakrise ist bereits da. Daher bedarf es auch eines Bottom-up-Ansatzes, um Einzelnen und Haushalten zu helfen, ihre Resilienz zu erhöhen.
Traditionell wird Mikrofinanz als Ansatz zur Bekämpfung von Armut durch eine stärkere finanzielle Inklusion betrachtet. Die langfristige Wirkung von Mikrofinanz in bestimmten Situationen ist zwar noch umstritten – die Belege für den gesellschaftlichen Nutzen eines besseren Zugangs zu Finanzprodukten wie Sparprodukten, mobilen Zahlungssystemen und Versicherungsprodukten sind jedoch eindeutig.
Darüber hinaus gibt es immer mehr Belege für einen weiteren wichtigen Nutzen von Mikrofinanz – die Stärkung der Resilienz einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen. Die Weltbank und andere Institutionen haben gezeigt, dass Mikroversicherungen und Produkte für Geldüberweisungen aus dem Ausland einkommensschwache Haushalte vor Einnahmeausfällen schützen können. Ausserdem kann Mikrofinanz durch Mikrokredite und Mikrosparprodukte eine wichtige Absicherung für Notfälle darstellen.
Ganz konkret können die Auswirkungen von Naturkatastrophen allein dadurch gemindert werden, dass Ersparnisse auf ein Konto eingezahlt und nicht mehr zu Hause verwahrt oder in illiquide, verderbliche Vermögenswerte wie Vieh gesteckt werden. Entsprechende Produkte machen es nachweislich deutlich weniger wahrscheinlich, dass Haushalte in die Armut abrutschen. Wie eine Studie in Kenia gezeigt hat, sinkt die Wahrscheinlichkeit einer reduzierten Nahrungsaufnahme in Krisensituationen um 43 Prozentpunkte, wenn Haushalte eine Versicherung haben. Eine weitere Untersuchung im gleichen Land hat gezeigt, dass Haushalte, die über einen Zeitraum von zwei Jahren keine mobilen Zahlungssysteme nutzten, bei einem negativen Einnahmenschock (z.B. durch Ernteausfälle) ihren Konsum von Produkten und Dienstleistungen um 7% einschränkten. Bei Haushalten, die mobile Zahlungssysteme nutzten, war kein bedeutender Rückgang zu erkennen. Haushalte, die Zugang zu Finanzprodukten haben, können auch ihre Einkommensströme breiter diversifizieren oder in Vermögenswerte wie solidere Häuser investieren, die Extremszenarien besser überstehen.
Durch die Unterstützung von Mikrofinanzinstitutionen können wir zudem private Anlagegelder für Anlagelösungen zur Finanzierung von Mikrofinanz und KMU-Finanz in Entwicklungs- und Schwellenländern mobilisieren. Im Jahr 2018 beliefen sich die Impact-Investments in Mikrofinanzinstitutionen und andere nachhaltige Finanzinstitute auf USD 31 Milliarden. Das zeigt, wie etabliert und bedeutend dieses Anlagethema inzwischen ist. Der ungedeckte Kreditbedarf von Kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen in den Entwicklungs- und Schwellenländern wird aber immer noch auf USD 5-8 Billionen geschätzt. Damit ist hier noch viel Spielraum für weiteres Wachstum.
Den Klimawandel werden wir alle zu spüren bekommen. Am stärksten aber trifft er die Schwächsten: arme Menschen in den weniger entwickelten Regionen der Welt. Mikrofinanz bietet eine Lösung für den Aufbau von Resilienz, der ganz unten ansetzt und so die auf höherer Ebene ansetzenden Initiativen der Entwicklungsagenturen und lokalen Regierungen ergänzt. Die Bereitstellung der Unterstützung und Investitionen, die Mikrofinanzinstitutionen benötigen, um den Aufbau von Resilienz zu ermöglichen, ist ein wichtiger Beitrag zur Realisierung der Ziele für nachhaltige Entwicklung. Für mehrere Millionen Haushalte in Entwicklungs- und Schwellenländern ist sie ein Rettungsring, wenn das Wasser steigt.
Paul Hailey
Paul Hailey ist Head of Sustainability and Impact bei responsAbility Investments und Autor verschiedener Publikationen und Artikel. Bei responsAbility war er zuvor unter anderem als Senior Research Analyst für den Finanzsektor tätig. Er hat einen MBA von der École des Hautes Études Commerciales de Paris (HEC Paris), wo er auch als Dozent tätig ist, und einen B.A. (Hons) vom Pembroke College, University of Cambridge.