Finanzsektorentwicklung

responsAbility in der Neuen Zürcher Zeitung

April 20199 min readFinanzielle InklusionPrivate Equity

Offensichtlich interessieren sich die Ukrainer brennend dafür, wem eine Bank gehört. Das hat viel mit der jüngeren Geschichte des Landes zu tun und mit einem Bankensektor, der nach der Krise von 2014 das Vertrauen der Menschen erst zurückgewinnen muss. Seit die westukrainische Bank Lviv zum responsAbility-Beteiligungsportfolio gehört, positioniert sie sich erfolgreich als «zuverlässige Bank mit Schweizer Inhabern». Die Kundeneinlagen schnellen seither nach oben.

Der hier wiedergegebene Artikel wurde am 12.4.2019 in der Neuen Zürcher Zeitung veröffentlicht. Alle Hervorhebungen stammen von responsAbility. 

 

EINE UKRAINISCHE BANK WIRBT MIT DEM SCHWEIZERKREUZ

Die Geschichte der Bank Lviv erzählt von Krise und Aufbruch in einem postrevolutionären Land

Die Werbung lässt sich nicht übersehen. «Zuverlässige Bank mit Schweizer Inhabern», steht es weiss auf rotem Grund geschrieben. Daneben prangt ein auffälliges Schweizerkreuz. Mit dieser Affiche geht die Bank Lviv aus der westukrainischen Metropole Lemberg seit einigen Monaten auf Kundenfang. Ob auf den Plakaten oder auf der Webseite der Bank – das Schweizerkreuz ist omnipräsent. Seit Mitte 2018 gehört das Institut mehrheitlich einer Beteiligungsgesellschaft, die vom Zürcher Unternehmen responsAbility verwaltet wird, einem Spezialisten für nachhaltige Investitionen in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Die Werbung lässt sich nicht übersehen. «Zuverlässige Bank mit Schweizer Inhabern», steht es weiss auf rotem Grund geschrieben. 

«Für uns ist es sehr wichtig, dass wir mit dem Schweizer Eigentümer werben können», erklärt Natalia Osadcii, die zusammen mit drei Kollegen die Bank Lviv leitet. Vom Hauptsitz, der sich in einem über 500-jährigen Gebäude befindet, streift der Blick über den prächtigen historischen Marktplatz von Lemberg. «Als wir mit der Werbung begonnen haben, machten die Kundeneinlagen einen Sprung nach oben», erläutert Osadcii. Offensichtlich interessieren sich die Ukrainer brennend dafür, wem eine Bank gehört. Das hat viel mit der jüngeren Geschichte des Landes zu tun und mit einem Bankensektor, der das Vertrauen der Menschen erst zurückgewinnen muss.

Die Bank Lviv hat schwierige Jahre hinter sich. Sie wurde von der Wirtschaftskrise, in die die Ukraine nach dem Euromaidan-Umsturz von Anfang 2014 stürzte, hart getroffen.

Die Bank Lviv hat schwierige Jahre hinter sich. Sie wurde von der Wirtschaftskrise, in die die Ukraine nach dem Euromaidan-Umsturz von Anfang 2014 stürzte, hart getroffen. «Es war ein Gang durch die Hölle», erinnert sich der damalige Alleineigentümer Margeir Petursson. «Jeden Morgen fragte ich mich, welche Probleme ich wohl heute haben würde.» Der Isländer mit einem Faible für Osteuropa hatte die Kleinbank im Jahr 2006 gekauft, als die Ukraine eine Boomphase erlebte. Jetzt ging es nur noch ums Überleben. «Wir mussten die Kunden beruhigen und nach Wegen suchen, wie wir gemeinsam durch die Krise kommen.»

Nach dem Euromaidan-Umsturz entluden sich die ökonomischen Ungleichgewichte, die sich während der von Misswirtschaft geprägten Ära Janukowitsch aufgebaut hatten.

Die Ukraine erlebte damals einen eigentlichen Bankensturm. Nach dem Euromaidan-Umsturz entluden sich die ökonomischen Ungleichgewichte, die sich während der von Misswirtschaft geprägten Ära Janukowitsch aufgebaut hatten. So hatte die Notenbank fast die ganzen Währungsreserven ausgegeben, um den Kurs der Landeswährung Hrywna gegenüber dem Dollar künstlich hoch zu halten. Das animierte die Ukrainer auch zu übermässigem Konsum, was zu einem grossen Defizit im Aussenhandel führte. Das Kartenhaus stürzte ein, als die Ukraine wegen der russischen Aggression im Osten des Landes in arge wirtschaftliche und finanzielle Nöte geriet. Die Notenbank musste die Währung freigeben, die Hrywna verlor schlagartig an Wert. «Alle wollten ihr Geld abheben», erinnert sich Petursson. Aber Dollars durfte man nicht herausgeben, weil die Notenbank strikte Kapitalverkehrskontrollen verhängt hatte.

Die Krise hinterliess im ukrainischen Bankensektor tiefe Spuren. Rund die Hälfte der Finanzinstitute sind seither untergegangen oder von der Aufsicht geschlossen worden.

Die Krise hinterliess im ukrainischen Bankensektor tiefe Spuren. Rund die Hälfte der Finanzinstitute sind seither untergegangen oder von der Aufsicht geschlossen worden. Viele Banken hatten ihren oligarchischen Eigentümern nur als «Staubsauger» gedient: Man zog Kundeneinlagen an, um diese dann in Form von fragwürdigen Krediten an eigene Schwesterfirmen weiterzureichen. Als solche Banken in Konkurs gingen oder ihr zwielichtiges Geschäftsmodell von der nach dem Euromaidan modernisierten Aufsicht unterbunden wurde, verloren viele Privatkunden und Firmen ihre Ersparnisse. Daher rührt das Misstrauen der Ukrainer gegenüber den Banken und ihr grosses Interesse daran, wem ein Institut gehört.

«Es war mir klar: Wenn ich die Bank weiterentwickeln wollte, würde ich das nicht alleine schaffen.»

Margueir Petursson, ehemaliger Alleineigentümer von Bank Lviv

Die Bank Lviv gehörte nicht zur Gruppe zwielichtiger Geldhäuser. Sie war stets solide und konservativ geführt worden, sie verfügte im Prinzip über genügend Kapital und hatte vergleichsweise wenige faule Kredite in den Büchern. Aber als sich die Lage einigermassen stabilisiert hatte, fasste der Alleineigentümer Petursson den Entschluss, sich einen Partner zu suchen. «Es war mir klar: Wenn ich die Bank weiterentwickeln wollte, würde ich das nicht alleine schaffen», meint er rückblickend. So kam er mit der Schweizer responsAbility ins Gespräch.

«Wir wollten keinen Sanierungsfall, sondern eine Bank, mit der wir auf Wachstum setzen können.»

Scott Richards, responsAbiltiy

Die Schweizer stellten klare Bedingungen. «Zunächst nahmen wir uns viel Zeit, um die Bank auf faule Kredite zu überprüfen», erklärt der Verantwortliche bei Responsability, Scott Richards. «Wir wollten keinen Sanierungsfall, sondern eine Bank, mit der wir auf Wachstum setzen können.» Als zweiten Schritt liessen die Schweizer Mitte 2017 ein neues Management mit viel Bankerfahrung in Zentral- und Osteuropa einsetzen. Neben der Moldauerin Natalia Osadcii leiten die Georgierin Tamar Tkhelidze, der Ukrainer Viktor Khimyak und als Chef der Armenier Ashot Abrahamyan das Institut. Erst, als die Neuausrichtung zu fruchten begann, übernahm die von Responsability geführte Beteiligungsgesellschaft im Sommer 2018 von Petursson 51% der Aktien. Richards begründet das Investment so: «Wir sehen bei der Bank Lviv grosses Wachstumspotenzial, zumal sich andere Institute vollständig aus dem Geschäft mit KMU- und Agrar-Finanzierungen zurückgezogen haben.»

Als zweiten Schritt liessen die Schweizer Mitte 2017 ein neues Management mit viel Bankerfahrung in Zentral- und Osteuropa einsetzen. 

Das neue Management steht vor Herausforderungen, die viel über die Ukraine und ihre Wirtschaft aussagen. «Die erste grosse Aufgabe lautet, das personelle Know-how für ein modernes Banking aufzubauen», erklärt die Managerin Osadcii. Viele Mitarbeiter waren sich etwa nicht gewohnt, dass man aktiv Kredite vermarkten könnte. Die Bank wechselte ein Drittel der Mitarbeiter aus, besetzte alle Schlüsselpositionen neu und richtete eine eigene «Banking School» ein, um selbst Talente zu fördern. Der Prozess der Kreditvergabe und Kundengewinnung wurde komplett modernisiert. 

Erst, als die Neuausrichtung zu fruchten begann, übernahm responsAbility im Sommer 2018 von Petursson 51% der Aktien.

In den kommenden Jahren will die Kleinbank jetzt stark wachsen. Die Zielgruppe sind vor allem die in der Westukraine prägenden Klein- und Mittelbetriebe. Dazu gehören etwa Restaurants im florierenden Tourismusgewerbe von Lemberg: Die malerische Stadt, die jahrhundertelang zum österreichischen Kaiserreich und zur polnischen Krone gehörte, zieht immer mehr Reisende an. Zu den Kunden zählen auch kleine Industriefirmen, die dank der äusserst niedrigen Löhne günstig exportieren können. Oder Betriebe in der Landwirtschaft, welche in der Ukraine ein enormes Potenzial hat. Da in der Region Lemberg die Wirtschaftsaussichten derzeit ziemlich gut sind, gibt es eine hohe Nachfrage nach Krediten.

Da in der Region Lemberg die Wirtschaftsaussichten derzeit ziemlich gut sind, gibt es eine hohe Nachfrage nach Krediten.

Die zweite Hauptaufgabe liegt darin, das Vertrauen der Menschen in die Banken zurückzugewinnen. Dabei hilft der Bank Lviv die Schweizer Eigentümerschaft stark. Auch andere ausländische Banken wie die lokale Tochter der österreichischen Raiffeisen Bank International (RBI) geniessen in der Ukraine einen Vertrauensvorschuss. Die Menschen wollen es allerdings genau wissen. «Die Kunden fragen uns: Ist dieser Haupteigentümer wirklich aus der Schweiz, oder ist es nur ein Ukrainer mit Schweizer Wohnsitz?», erklärt Osadcii. Dass hinter responsAbility vor allem Schweizer Finanzinstitute stehen, findet bei den Kunden Gefallen.

Die zweite Hauptaufgabe liegt darin, das Vertrauen der Menschen in die Banken zurückzugewinnen. Dabei hilft der Bank Lviv die Schweizer Eigentümerschaft stark. 

Eine dritte Schwierigkeit für die Bank Lviv ist es, genügend geeignetes Personal zu finden. Die Ukraine hat seit der Krise von 2014/15 eine grosse Auswanderungswelle erlebt. Allein rund eine Million Landleute arbeitet im benachbarten Polen, wo die Durchschnittslöhne drei- bis viermal höher liegen. Die Lemberger Banker konkurrieren mithin direkt mit polnischen Firmen jenseits der nur 70 km entfernten Grenze. «Das ist wohl unsere grösste Herausforderung», meint Osadcii. Als Gegenstrategie erhöht man mehrmals im Jahr die Löhne – jüngst um über 30% auf Jahresbasis. Universitätsabsolventen sucht man zudem mit der Aussicht zu locken, dass man bei der Bank Lviv eine Karriere als professioneller Banker in einem modernen Umfeld machen kann.

Schliesslich will die Bank Lviv eine «saubere» Bank sein. Das ist keine geringe Aufgabe, denn die endemische Korruption gehört immer noch zu den dunkelsten Flecken der Ukraine.

Schliesslich will die Bank Lviv eine «saubere» Bank sein. Das ist keine geringe Aufgabe, denn die endemische Korruption gehört immer noch zu den dunkelsten Flecken der Ukraine. Wie kann man da korrekt geschäften? Laut Osadcii braucht es eine klare Haltung: «Wir pflegen eine Meritokratie und stellen niemanden nur aufgrund von Beziehungen ein. Wir vergeben keine Kredite gegen Schmiergelder. Wir halten uns von Unternehmen mit zwielichtigen Geschäftsmodellen fern. Und wir zahlen keine Bestechungsgelder an Behörden.»

responsAbility war in den 2000er Jahren als Mikrofinanz-Pionier gestartet. Jetzt tragen die Zürcher ihren Teil dazu bei, dass der Bankensektor und die Wirtschaft in der Ukraine vorankommen.

So will die Bank Lviv auch einen Beitrag leisten, dass sich in der Ukraine eine saubere Wirtschaft entwickeln kann. Damit passt das Institut ganz gut ins Portfolio der Schweizer Responsability. Diese verfolgt mit ihren Investments nicht nur geschäftliche Interessen, sondern vor allem auch Entwicklungsziele. Bankdienstleistungen zu Menschen und Unternehmen zu bringen, die sonst keinen Zugang dazu hätten – so lautet ein zentraler Anspruch. Responsability war in den 2000er Jahren als Mikrofinanz-Pionier gestartet. Jetzt tragen die Zürcher ihren Teil dazu bei, dass der Bankensektor und die Wirtschaft in der Ukraine vorankommen.

Der Autor: Matthias Benz[1]

Studium der Geschichte, Volkswirtschaftslehre und Publizistik an den Universitäten Zürich und Santiago de Compostela. Promotion in Ökonomie an der Universität Zürich mit einer Dissertation zum Thema «Institutionen und menschliches Wohlergehen». Von 2004 bis 2005 Aufenthalt an der University of California at Berkeley als Visiting Research Fellow. Seit Mitte 2006 Mitglied der Wirtschaftsredaktion der NZZ. Von Mitte 2009 bis Mitte 2014 Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Ab Herbst 2014 Wirtschaftskorrespondent in Wien mit Zuständigkeit für Österreich, Ostmitteleuropa und die Ukraine. Seit 2009 habilitierter Privatdozent an der Universität Zürich. Ende 2016 Ernennung zum Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien. Bruckhaus-Preis der Schleyer-Stiftung 2012 für die Tätigkeit als NZZ-Korrespondent in Deutschland.

[1]Quelle: NZZ