Energieeffizienz: Ein schnellerer und strategischer Weg zur Netto-Null-Emission
Das anhaltende Wirtschaftswachstum in Südostasien führt zu einem höheren Energiebedarf. Die Herausforderung für Entwicklungsmärkte besteht darin, ihren Zugang zu sauberer, bezahlbarer und verlässlicher Energie zu verbessern. In diesem Kontext spielt die Energieeffizienz – von der Internationalen Energieagentur als "der erste Kraftstoff" bezeichnet – eine zentrale Rolle bei der Verringerung der Importabhängigkeit und der Umweltverschmutzung. Aus diesem Grund wird eine neue Generation von Energieeffizienzmassnahmen von entscheidender Bedeutung sein, um die steigende sektorübergreifende Energienachfrage zu befriedigen und die Umstellung der einzelnen Märkte auf Netto-Null-Emissionen als Teil einer robusten Energiestrategie zu beschleunigen.
Grundlagen für Dekarbonisierung und Energiesicherheit
Während erneuerbare Energien, Elektrifizierung und Energieeffizienz seit langem als integrale Bestandteile der Dekarbonisierung gelten, gewinnen Energieeffizienzmassnahmen zunehmend an Bedeutung. Ziel der Energieeffizienz ist es, mit weniger Energie die gleiche Leistung zu erzielen. Durch die Kombination mit erneuerbaren Energien - z.B. eine energieeffiziente elektrische Wärmepumpe, die mit erneuerbaren Energien betrieben wird, anstelle eines konventionellen, fossil betriebenen Heizkessels - wird die Effizienz weiter gesteigert. Diese Synergie führt zu einem schnelleren Rückgang der Energieintensität und trägt zur Verringerung der Luftverschmutzung und damit zur Verbesserung der Lebensqualität bei.
Energieeffizienz leistet nach den erneuerbaren Energien den zweitgrössten Beitrag zur CO2-Reduktion. Der kombinierte Einsatz von erneuerbaren Energien und Energieeffizienzmassnahmen kann die CO2-Emissionen, die durch Energieerzeugung und -verbrauch entstehen, um fast 90 % reduzieren. Die verbleibenden 10 % werden durch Kohlendioxidabscheidung und andere Technologien zur Substitution fossiler Brennstoffe erreicht. Da Energieeffizienzprojekte in der Regel mit geringeren Investitionskosten verbunden sind als der Neubau von Wasserkraft-, Windkraft- und Photovoltaikanlagen, führen sie zu einer schnelleren Umsetzung der Netto-Null-Emissionsstrategie bis 2050.
Neben der Erreichung der Ziele der Netto-Null-Emissionen und der nachhaltigen Entwicklung (SDG 7 und SDG 13) kann die Steigerung der Energieeffizienz dazu beitragen, die Abhängigkeit eines Landes von Energieimporten zu verringern und die Energiekosten zu senken. Südostasien importiert derzeit 40 % seiner Energie, und die Energienachfrage wird bis 2040 voraussichtlich um 60 % steigen. Einem Forschungspapier des Instituts für die Asiatische Entwicklungsbank zufolge würde eine Erhöhung der Investitionen von 1 bis 4 % in die Energieeffizienz ausreichen, um 25 % des prognostizierten Anstiegs des Primärenergieverbrauchs in Südostasien bis 2030 zu decken. Angesichts der seit Anfang 2022 in die Höhe geschnellten Energiekosten - bedingt durch die Erholung der Wirtschaftstätigkeit nach der Pandemie und die geopolitischen Spannungen, die die globale Energielandschaft verändert haben - ist die Beschaffung effizienterer Energie zu einer Priorität geworden. Nahezu alle Regierungen der Welt konzentrieren sich darauf, die rekordhohen Energierechnungen zu senken und eine zuverlässige Energieversorgung zu gewährleisten.
Emissionsminderungspotenzial
90%
Der kombinierte Einsatz von erneuerbaren Energien und Energieeffizienzmassnahmen kann die CO2-Emissionen, die durch Energieerzeugung und -verbrauch entstehen, um fast 90 % reduzieren.
Erforderliche Investitionssteigerung
1-4%
Erhöhung der Investitionen von 1 bis 4 % in die Energieeffizienz würde ausreichen, um 25 % des prognostizierten Anstiegs des Primärenergieverbrauchs in Südostasien bis 2030 zu decken
Politische Hürden und finanzielle Herausforderungen überwinden
Aufgrund der aktuellen geopolitischen Lage setzen Regierungen verstärkt darauf, Energieimporte zu reduzieren, den Zugang zu Energie auszubauen und die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Diese Ausgangslage betont ebenfalls die Vorteile von Energieeffizienz, besonders in Verbindung mit erneuerbaren Energien. In zahlreichen aufstrebenden Volkswirtschaften fehlen jedoch passende Anreize oder eine konsequente Umsetzung staatlicher Initiativen, was die Kapitalbeschaffung für Energieeffizienzprojekte erschwert. So wie ein besseres Verständnis für das Potenzial erneuerbarer Energien vor etwa fünf bis sechs Jahren den Sektor wachsen liess, könnten wir nun das Bewusstsein von Regulierungsbehörden und Finanzinstituten für die Erfolge im Bereich Energieeffizienz investieren.
Zusammengefasst sollten politische Initiativen, Anreizsysteme sowie Forschung und Entwicklung in der Energieeffizienz gefördert werden. Kreditgeber müssen offener gegenüber der Finanzierung neuester Energieeffizienztechnologien und Geschäftsmodellen sein. Regierungen haben zusätzlich die Möglichkeit, Anreize zu setzen, um Kreditgeber zur Entwickluing von Produkte für Energieeffizienzprojekte zu motivieren. Solche Maßnahmen können die rasche Umsetzung bedeutender Energieeffizienzinitiativen, vor allem im Gebäude- und Wasserrecyclingsektor, vorantreiben. Laut Studien der International Finance Corporation wird der Markt für Energieeffizienz in Südostasien auf etwa 450 Milliarden US-Dollar geschätzt und in Indien auf beeindruckende 1,4 Billionen US-Dollar.
Erfolgsgeschichte Energieeffizienz: Das UJALA-Programm in Indien
Im Jahr 2015 startete Indien das weltweit grösste LED-Verbreitungsprogramm im Rahmen des UJALA-Programms (Unnat Jyoti by Affordable LEDs for All). Mit diesem ehrgeizigen Programm soll der Umstieg von Glühbirnen auf LEDs gefördert werden. Laut dem offiziellen Regierungsportal und Medienberichten wurden im Rahmen des Programms bis August 2023 rund 368 Millionen LED-Glühbirnen und -Lampen mit folgendem Impact verteilt:
38 Millionen Tonnen vermiedene CO2-Emissionen pro Jahr
9.600 MW vermiedene Spitzenlast
47,8 Milliarden Kilowattstunden eingesparte Energie pro Jahr
2,3 Milliarden USD eingesparte Stromkosten für Verbraucher pro Jahr
Energy Efficiency Service Limited (EESL) vertreibt LED-Lampen und Leuchtstoffröhren. Die Beschaffung der LEDs erfolgt über ein offenes e-Bidding-Verfahren. Durch die Bündelung der Nachfrage konnte der Beschaffungspreis für LED-Lampen 90 % deutlich gesenkt werden.
Die wichtigste Erkenntnis ist, dass rechtzeitige staatliche Initiativen und Interventionen zu einer gross angelegten Marktumstellung führen können, die die Energieeffizienz verbessert, die Energieintensität verringert, die Energiekosten senkt und zur Versorgungssicherheit beiträgt.
Die Energieeffizienzlücke schliessen: Eine Chance für Südostasien
Während die Energienachfrage in Industrieländern wie der EU und den USA stagniert, wird die Elektrifizierung in Südostasien und Indien weiter steigen. Diese Volkswirtschaften sind bestrebt, alte, mit fossilen Brennstoffen betriebene Prozesse durch strombasierte Technologien zu ersetzen. In der Zwischenzeit werden jedoch Energieintensität und Emissionen weiter zunehmen, da fossile Brennstoffe (Kohle, Öl und Gas) eine wichtige Quelle für die Stromerzeugung bleiben. Die Förderung der Energieeffizienz wird von vorrangiger Bedeutung sein, während gleichzeitig die Politik von der Förderung fossiler Brennstoffe abrücken muss, da dies den Zweck und die Wirkung von Energieeffizienzinitiativen zunichte machen würde.
Konkret ist Energieeffizienz in fast allen Bereichen erforderlich, von Kühlung und Heizung über Beleuchtung und Wasserrecycling bis hin zu Rechenzentren zur Steuerung des Internetverbrauchs. Die Energienachfrage und der Energieverbrauch werden weiter steigen, insbesondere weil die südostasiatischen Volkswirtschaften auf dem Index der menschlichen Entwicklung von einem mittleren zu einem hohen und sehr hohen Niveau aufsteigen werden. Aus diesem Grund muss das Bewusstsein für Energieeffizienz bei politischen Entscheidungsträgern und in der Kreditwirtschaft wachsen, um die Marktakzeptanz in den nächsten zwei bis drei Jahren zu erhöhen. Eine Verdoppelung des Tempos der weltweiten Fortschritte bei der Energieeffizienz in diesem Jahrzehnt wird entscheidend für die Bemühungen sein, Netto-Null-Emissionen und die Ziele der nachhaltigen Entwicklung zu erreichen.
Jay Bathija
Jay Bathija ist Senior Investment Officer bei responsAbility in Indien. Er ist verantwortlich für Investitionen im Bereich Klimafinanzierung im gesamten asiatisch-pazifischen Raum und arbeitet mit Investoren und Partnern zusammen. Jay Bathija ist seit 2023 bei responsAbility und verfügt über mehr als 14 Jahre Erfahrung im Investment Management mit Fokus auf erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Energieübertragung, Transport, Stahl und Telekommunikation. Er hat einen Abschluss in Informatik der Universität Mumbai und einen MBA in Finanzwesen.